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Muskelaufbau

Wie funktioniert das? Wie soll ich dafür genau trainieren?

Eine gewisse Menge an Muskeln ist in vielerlei Hinsicht hilfreich für einen Sport oder für das „normale“ Leben und hält uns nebenbei „gesund“ (schaue dafür den Artikel an). Und Muskeln formen den Körper und sein Aussehen, weshalb auch viele allein deswegen trainieren möchten #lookgreatnaked.
Dabei trainieren manche bloß mit der Absicht ihre Muskeln so groß wie nur möglich aufzubauen, bei anderen wachsen sie unbeabsichtigt als Folge der sportlichen Belastung. Einige finden zu viel davon nicht schön und bei manchen Sportlern ist ein zu viel davon tatsächlich nachteilig für ihre Sportart.

Doch wie trainiere ich und was muss ich machen, wenn es meine Absicht ist, Muskeln in einer bestimmten Region oder im ganzen Körper aufzubauen? Was muss ich beim Training beachten? Wie viele Sätze und Wiederholungen soll ich machen?  Grundsätzlich: wenn du deine Muskelmasse erhöhst, wird sich auch deine Maximalkraft (also das maximale Gewicht, das du bewegen kannst) erhöhen. Je höher diese ist, umso leichter wird es dir fallen, moderate Gewichte auf viele Wiederholungen zu bewegen. Nachteilig werden große Muskelmassen allerdings, wenn es darum geht, den eigenen Körper gegen die Schwerkraft zu bewegen (bspw. Klimmzüge) oder eine lange Ausdauersportart zu betreiben, da allein durch die hohe Masse der Energiebedarf und der Sauerstoffverbrauch steigt.

Muskelwachstum – was wächst denn da?

Achtung – es wird wissenschaftlich. Falls es dir zu viel oder zu unverständlich ist, dann kannst du auch zum nächsten Abschnitt gehen. Ich versuche hier den momentanen wissenschaftlichen Stand zu diesem Thema zusammen zu fassen, aber höchstwahrscheinlich wird es in den kommenden Jahren „neuere“ Ideen und Theorien in dieser jungen Wissenschaft geben, denn vieles ist noch unklar oder sogar unbekannt. 

Muskelwachstum passiert auf zwei Arten. Einerseits kann der Muskel die Anzahl seiner Muskelfasern erhöhen, sie im Grunde also teilen und dann im Volumen wachsen lassen (Hyperplasie). Andererseits können die vorhandenen Muskelfasern nur im Volumen wachsen und die Anzahl der sogenannten „kontraktilen Elemente“ (die Dinger, die die tatsächliche Muskelzuckung/bewegung bewerkstelligen) in diesen Fasern erhöhen (Hypertrophie). Soweit wir es heute beobachten können, ist beim Menschen nur die Hypertrophie möglich. D.h. neben der Erhöhung der Anzahl  der kontraktilen Elementen nimmt der Muskel im Volumen zu, weil er die Menge der Organellen (Zellbestandteile), des Treibstoffs (Zucker und Fette), Wasser und die Anzahl der Enzyme erhöht. 

In Tiermodellen (Ratten) konnte zwar Hyperplasie der Muskeln beobachtet werden, doch die Trainingsprotokolle, die dies hervorrufen, sind kaum auf den Menschen zu übertragen. 

Hypertrophie – was provoziert sie?

Doch was genau macht das Training aus, dass mein Muskel hypertrophiert?
Auf genetischer Ebene (und hier kann man sehr tief in die Materie einsteigen) verlängert ein Trainingsreiz, und auf Dauer  die Menge dieser Reize in einem bestimmten Zeitraum, die Translation und Transkription (das Ding mit Information der Gene in eigentliches Gewebe umwandeln und so) spezifischer Gene und Gensequenzen. Zudem sind eine entsprechende Ernährung, (ohne sie würden notwendige Bausteine fehlen) und eine ausreichende Regeneration, insbesondere Schlaf, eine wichtige Voraussetzung.

Im Moment geht man davon aus, dass drei Hauptfaktoren notwendig sind, um ein Muskelwachstum zu erzeugen:

  • Mechanische Spannung/Belastung
  • Metabolischer Stress 
  • Muskelschäden

Mechanische Spannung bedeutet, dass der Muskel während einer Übung/Trainingseinheit eine gewisse Zeit lang unter ausreichenden Widerstand angespannt sein muss.  Diese Zeit wird auch als „time under tension“ bezeichnet. Konkret heißt das, dass eine Übung mit ausreichend Gewicht (70-85% des 1RM) durchgeführt werden muss. Zwar lassen sich Muskelzuwächse, besonders bei Anfängern, mit niedrigeren Widerständen beobachten, doch ist die Menge der Wiederholungen, die man durchführen muss sehr groß und unökonomisch.  Genauso können hohe Gewichte (90%+x des 1RM) Muskelwachstum erzeugen, doch hier ist der Stress aufs Nervensystem und die Gelenke zu groß und wird auf Dauer nachteilig. 

Metabolischer Stress bedeutet, dass der Muskel genügend Stoffwechselprodukte (H+-Ionen, Laktat, AMP, freies Phosphat) anhäufen muss. Das passiert, wenn ein Muskel während einer Übung knapp vor oder bis zum Versagen – besonders mit Wiederholungen von 8-20 – trainiert wird. Das macht sich während und nach dem Training unter anderem über den „Muskelpump“ bemerkbar, also das Anschwellen des trainierten Muskels. 

Muskelschäden bedeutet, dass während der Übung Schäden in der Struktur des Muskels (Muskelspinden, Z-Scheiben, etc.) stattfinden. Im Grunde sind kleine „Verletzungen“ in der Struktur hilfreich, einen entsprechenden Adaptationsprozess stattfinden zu lassen, damit eine kommende Belastung ohne diese Schäden erneut zu erzeugen, abläuft. Natürlich solltest du nicht ständig einen derben Muskelkater erzeugen, allein, weil du zu lange pausieren musst, um erneut zu trainieren.

Die genauen Zusammenhänge wie und warum die Trainingsreize dazu führen, dass ein Muskel wächst, sind trotzdem noch nicht verstanden. Wahrscheinlich ist es ein Konzert dieser verschiedenen Mechanismen, das über die Zeit zu Muskelwachstum führt.  Was wiederum bedeutet, dass ein Training und die Summe der Trainingseinheiten es als Ziel haben muss, diese Mechanismen hervorzurufen. 

——— So, hier endet die etwas komplexe Beschreibung ———

Was bedeutet das konkret für mein Training?

Willst du deine Muskeln wachsen lassen, dann musst du folgende Prinzipien beachten: 

Konsistenz und Geduld: Muskeln und Kraft werden nicht binnen weniger Wochen aufgebaut. Bleib geduldig und ziehe das Training durch, auch wenn es an manchen Tagen nicht einfach ist und du kein Fortschritt siehst. 

Progressives Überladen: Das Training und die die einzelne Trainingseinheit muss einen „überlastenden“ Reiz enthalten und im zeitlichen Verlauf muss dieser Reiz steigen. Während einer Trainingseinheit musst du dich also etwas ans Limit pushen. Die jeweiligen Sätze der Übungen musst du innerhalb von ungefähr 5 reps in reserve durchführen,  also knapp ans Muskelversagen gehen (es ist übrigens nicht empfehlenswert, immer bis ans Limit zu gehen, weil die Ermüdung sehr bald zu groß ist). Zudem muss das Trainingsvolumen (das in der Summe bewegte Gewicht für eine Muskelgruppe) über einen gewissen Zeitraum steigen.  Zwischen den Einheiten (Tag, Woche, Monat)versuchst du also etwas mehr Gewicht auf die Stange zu legen oder einige Wiederholungen mehr durchzuführen. Doch der Fortschritt muss nicht nur aufs bewegte Gewicht bezogen sein, auch Pausenlängen, Bewegungsradius der Übung, etc. darf sich verbessern. 

Regeneration: Auch wenn es so banal klingt, dieser Faktor spielt bei vielen eine wichtige Rolle, warum ein Training keine Erfolge zeigt. Du brauchst Schlaf, mindestens 8 Stunden! Du brauchst eine genügende Proteinzufuhr und eine allgemein ausgewogene Ernährung mit mindestens einem kleinen Kalorienüberschuss. Du solltest zudem deinen psychologischen Stress reduzieren, denn der Kopf wirkt sich ebenfalls auf den Körper aus.

Wie setze ich dies konkret um?

Im Training solltest du dich relativ nah am Limit (kurz vorm Muskelversagen) bewegen und in einem Wiederholungsbereich von 8-15 Wdh. mit 70-85% deines 1RM arbeiten. 

Die Bewegung in der exzentrischen Phase (in die Dehnung) solltest du bewusst kontrollieren und während der konzentrischen Phase (in die Streckung) mit einer maximalen Intention (maximal schnell) durchführen. Besonders bei einfachen, eingelenkigen Übungen (z.B. Bicepscurls, seitl. Schulterheben) solltest du deinen Muskel bewusst „aufpumpen“ und die Muskelanspannung bewusst spüren. 

Während der Trainingswochen und Monate solltest du das Gewicht/Anzahl der Sätze/Anzahl der Wiederholungen/ Bewegungsreichweite erhöhen, sprich eine Progression sollte sichtbar sein (schreibe am besten alle deine Übungen, Sätze, Wiederholungen, Gewichte in ein kleines Trainingstagebuch).

Ein leichter Muskelkater und eine ebenso leichte Erschöpfung 1-2 Tage lange sind voll in Ordnung. Kannst du dich zwei Tage wegen des Muskelkaters kaum bewegen, dann war die Belastung zu groß. 

Du musst genügend Kalorien und Proteine zu dir nehmen, damit genügend Bausteine für den Muskelaufbau vorhanden sind. Ein extrem wichtiger Faktor bei der Regeneration – und allgemein sehr wichtig für die körperliche und geistige Gesundheit – ist eine ausreichende Portion Schlaf. Versuche davon mindestens 8 Stunde täglich zu bekommen. Dein Körper wird es dir auf vielen Ebenen danken. Bedenke, der Muskel wächst nicht beim Training, sondern erst in den Erholungsphasen!

Und was hat das alles mit den Wiederholungen zu tun, die der Coach da auf die Tafel schreibt?

Der Coach versucht euch mit den Übungen und Wiederholungzahlen einen ausreichenden Trainingsreiz zu setzen, damit ein Muskel- und Kraftwachstum stattfindet. In der Woche werden ca. 15-30 Sätze (großer interindividueller Unterschied bedingt durch Trainingserfahrung) pro Muskel benötigt, um diesen einen genügenden Wachstumsreiz (solange diese Sätze mindestens 5 Wdh. vorm Muskelversagen durchgeführt werden) zu geben. Diese Sätze sollten über mindestens zwei Einheiten, das hat sich gegenüber einer Einheit in der Woche als überlegen gezeigt, in diesen sieben Tagen verteilt sein. 

Zudem ist das Trainingsvolumen wichtig, also die Anzahl der Sätze multipliziert mit der Anzahl der Wiederholungen multipliziert mit dem bewegten Gewicht. Hierbei sollte über die Wochen ein Fortschritt zu beobachten sein.  Es gibt zahlreiche Möglichkeiten und Methoden diesen Fortschritt zu erreichen. 

Als Beispiel Beintraining Woche 1:  

Tag 1 

Übung 1: Frontkniebeuge 4 Sätze x 10 Wdh x 100kg @RIR2-3 = 4000kg

Übung 2: Ausfallschritte 3 Sätze x 12 Wdh. x 40 kg @RIR 3-4 = 1440kg 

Tag 2

Übung 1: Frontkniebeuge 4 Sätze x 6 Wdh x 120kg @RIR 1-2 = 2880kg 

Übung 2: Ausfallschritte 4 Sätze x 12 Wdh. x 40 kg @RIR 3-4 = 1920kg 

Progression Woche 2:  z.B. gleichbleibendes Gewicht, mehr Wdh. pro Satz, näher am Muskelversagen. 

Tag 1

Übung 1: Frontkniebeuge 4 Sätze x 12 Wdh x 100kg @RIR1-2 = 4800kg 

Übung 2: Ausfallschritte 3 Sätze x 16 Wdh. x 40 kg @RIR 2-3 = 1840kg 

Tag 2

Übung 1: Frontkniebeuge 4 Sätze x 8 Wdh x 120kg @RIR 0-1 = 3840kg 

Übung 2: Ausfallschritte 4 Sätze x 16 Wdh. x 40 kg @RIR 3-4 = 2560kg 

Allein, wenn du also in der ersten Woche ein „konservatives“ Gewicht wählst und versuchst in der Folgewoche die Anzahl der Wiederholungen zu steigern, so dass du dich näher am Muskelversagen bewegst, erreichst du bereits eine Progression der Belastung. Denke allerdings daran, dass du ehrlich mit dir sein musst, wie sehr gehst du dabei ans Limit? Waren wirklich nur 1-2 Wiederholungen im Tank übrig oder gingen da noch 4-5 Wdh. mehr, wenn dir jemand eine Pistole vor die Brust halten würde?

Puuuhhh, das war aber viel….

Ja, das Thema kann man noch auf weiteren zwanzig (oder mehr) Seiten platt treten. Behalte aber für dein Training, dass du dich ab und zu mal pushen musst, du den Muskel bewusst spüren solltest, ab und zu Trainingspausen hilfreich sind und dass deine Ernährung samt der Regeneration stimmen muss. 

Zögere nicht, bei weiteren Fragen uns direkt anzusprechen, wir stehen dir stets mit Rat und Tat zur Seite.

Autor: Micha

Quellen:  

Brad Schoenfeld. Science and Development of muscle hypertrophy. Human Kinetics, 2016. 

Andreas und Alexander Pürzel. Trainingsplanung. Intelligent Strength Education GmbH, 2019.