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10 Fakten, die jeder über Rückenschmerzen wissen sollte
Rückenbeschwerden treffen praktisch jeden irgendwann in seinem Leben. Der Umgang damit hat in den letzten 10 Jahren eine große Wandlung erfahren. Schonung und passive Behandlung, die früher im Vordergrund standen, sind nicht oder nur wenig wirksam – das haben inzwischen viele wissenschaftlichen Untersuchungen gezeigt. Nachweislich eine der effektivsten Methoden zur Bekämpfung von Rückenschmerzen ist vielmehr die möglichst schnelle Rückkehr zu den normalen Alltagsaktivitäten.
In diesem Artikel werde ich Dir weitere Fakten über Rückenbeschwerden aufzeigen und so eventuell auch ein paar Mythen aufdecken.
1. Dein Rücken ist stark und stabil!
Viele Personen sind der Meinung, dass die Wirbelsäule ein fragiles und schwaches Körperteil darstellt. Genau das Gegenteil ist der Fall!
Sie ist stark, stabil, für Belastungen gemacht und perfekt dafür geeignet.
Schließlich hat die Natur in langen Versuchsreihen ein äußerst belastbares System geschaffen: Bandscheiben und Wirbelsäule vereinen Qualitäten wie Beweglichkeit, Stabilität, Stoßdämpfung und Schutz für lebenswichtige Leitbahnen. Sie erfüllen damit ständig ein Bündel von zum Teil gegensätzlichen Anforderungen, die einem Ingenieur die Schweißperlen auf die Stirn treiben würden.
2. Es gibt keine schlechten Bewegungen (Suman et al. 2017)
Möglicher Schmerz, den Du bei Bewegungen und Alltagsaktivitäten spürst, zeigt an, wie sensibel Deine Strukturen sind – nicht wie stark dein Rücken ist. Aktiv zu sein und alltägliche Aufgaben zu bewältigen, hilft bei der Genesung. Ein Spaziergang kann bereits der erste Schritt in Richtung Schmerzfreiheit sein. Eine Belastung der Wirbelsäule zum Beispiel durch Heben oder Drehen ist nicht gefährlich…
…sondern essentiell für Deine Rücken-Gesundheit!
3. Weiter mit den üblichen Aktivitäten (Buchbinder et al. 2008)
Wie wir sitzen, stehen oder uns drehen verursacht keine Rückenschmerzen, auch wenn diese Aktivitäten schmerzhaft sein können.
Eine große Vielzahl an unterschiedlichen Haltungen sind für den Rücken gesund! Natürlich solltest Du hohes Gewicht mit einer richtigen Technik und unter Vorspannung anheben, doch bei alltäglichen Aktivitäten wie Sitzen sind verschiedenste Positionen am besten.
4. Schmerz ist nicht nur eine Frage des körperlichen Schadens
Verletzungen stehen besonders bei länger anhaltenden Beschwerden nicht immer in Verbindung zur Schmerzstärke.
Anders gesagt: Schmerzen bedeuten nicht unbedingt, dass es da einen Gewebeschaden, eine Verletzung im Körper, als Ursache für diese Schmerzen gibt. Das bedeutet, Du kannst Schmerzen im Zusammenhang mit einer Verletzung haben, keine Schmerzen bei einer großen Verletzung und viel Schmerz bei wenig Verletzung.
Schmerz wird durch sehr viel mehr Dinge beeinflusst, als nur durch den Zustand des Körpergewebes. Schmerz wird von vielen anderen Lebensbereichen beeinflusst und beeinflusst seinerseits wiederum andere Lebensbereiche. Emotionen, Empfindungen, Wahrnehmungen (und was man selbst über Schmerz glaubt) und soziale Aspekte sind mit anhaltenden Schmerzen verbunden.
Dies nennt sich das „biopsychosoziale Modell des Schmerzes“.
5. Ein Rücken in Bewegung verbessert sich schneller (Werner et al. 2007)
Der Rücken verschleißt nicht durch alltägliche Belastung und Beugung!
Genauso wie das Heben von Gewichten die Muskeln stärker macht, machen Bewegung und Belastung den Rücken stärker und gesünder.
Die Wirbelsäule ist, wie oben schon verdeutlicht extrem stabil, sie kann eine tonnenschwere Last aushalten. Sie gehört mit zu den stärksten Körperteilen. Hab also keine Angst, Deinen Rücken im Alltag zu belasten. Im Gegenteil: Belastung bedeutet Training, und durch Training steigt wiederum die Belastbarkeit. Schonung bewirkt genau das Gegenteil.
Aktivitäten wie Laufen, Beugen und Heben sind sicher, wenn Du dich allmählich und behutsam steigerst und regelmäßig trainierst!
„If You Think Lifting Weights is Dangerous, try being weak. Being weak is dangerous.“
Bret Contreras
6. Schmerzverstärkung bedeutet nicht gleich mehr Schaden
Wenig benutzte Muskulatur reagiert stark auf neue Bewegungen und dies kann zu Muskelkater führen.
Schmerzverstärkungen bedeuten aber nicht gleich, dass Du dir Schaden zugefügt hast! Normalerweise haben stärkere Schmerzen nichts mit Gewebeschäden zu tun. Trigger dafür sind meist eher die oben schon genannten Dinge: ungewohnte Aktivität, Inaktivität, Stress, Anspannung, Sorge…
Diese Faktoren zu kontrollieren kann dabei helfen, die Verstärkung des Schmerzes zu vermeiden: Wenn Du also eine Verschlimmerung erlebst, ist es sinnvoll ruhig zu bleiben, sich zu entspannen und sich weiter zu bewegen, anstatt das Aufflackern der Schmerzen wie eine Verletzung zu behandeln.
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- Nehmen wir das Beispiel eines Laufanfängers. Menschen, die neu mit dem Laufen beginnen, haben ein erhöhtes Schmerzrisiko, wenn sie zunächst dreimal oder mehrmals pro Woche laufen. Dieses erhöhte Risiko bedeutet nicht, dass diese Menschen für immer aufhören sollten zu laufen, oder dass die Aktivität schlecht für sie ist. Sie müssen vielleicht nur einige Dinge ändern, die Häufigkeit, in der sie dies tun, die Art und Weise, wie sie es tun, um ihrem Körper mehr Zeit zu geben, sich an diese neue Aktivität zu gewöhnen.
7. Hab keine Angst!
Anhaltende Rückenschmerzen können beängstigend sein, Stress verursachen und einschränken.
Aber sie sind selten gefährlich! (Buchbinder et al. 2008)
8. In jedem Alter kannst Du gegen Rückenschmerzen vorgehen!
Auch wenn es eine weit verbreitete Meinung und Befürchtung ist:
Älter zu werden, ist nicht die Ursache von Rückenschmerzen und verschlimmert diese auch nicht.
9. Bildgebende Verfahren zeigen selten die Ursache von Rückenschmerzen (Werner et al. 2007)
Bildgebung wird in der Regel zunächst nicht benötigt. Sie kann Probleme manchmal sogar verstärken. Auffälligkeiten auf den Bildern sind nicht zwingend die Ursache der Beschwerden. Oft finden sich diese Auffälligkeiten sogar bei einem beschwerdefreien Rücken.
- 96% völlig gesunder und beschwerdefreier Sportler unter 22 Jahren zeigen Veränderungen in einem MRT, die von manchen als abnormal, also pathologisch (krankhaft) bezeichnet werden. Aber wenn nahezu jeder Gesunde diese Veränderungen hat, wie “abnormal” können die dann sein? (Rajaswaran 2014)
10. Es gibt eine Menge, was Du tun kannst um Dir selbst zu helfen! (Wadell et al. 2007)
Spritzen, OP’s und starke Medikamente sind für die Behandlung von anhaltenden Schmerzen nicht sehr effektiv. Der Schlüssel ist, Deine individuellen Lösungen zu finden, die Dir die Kontrolle über Deinen Schmerz zurück geben.
Erinnerst Du Dich an das biopsychosozial Modell? Das bedeutet, dass alle Bereiche deines Lebens den Schmerz beeinflussen können.
Und dies ist großartig, weil Du dadurch eine Menge Möglichkeiten zur Behandlung Deiner Schmerzen erhälst.
Merke: Dein Körper ist stark und kann sich anpassen!
Auch wenn Du verletzt bist, auch wenn Du Schmerzen hast, hast Du immer noch die Fähigkeit etwas zu verändern.
Wenn Du Schmerzen hast kann sich Deine Toleranz gegenüber körperlicher Aktivität oder anderen belastenden Aktivitäten verändern. Dein Schmerzsystem wird sensibilisiert und Aktivitäten, die vorher einmal leicht möglich waren können jetzt schwierig und schmerzhaft sein. Bei vielen verschlimmert sich diese Sensibilität, wenn sie sich schonen und Aktivitäten oder Stresssituationen vermeiden. Die Schwelle für Stress und Schmerzempfinden wird niedriger – Deine Schmerz-Tasse läuft über (siehe Bild. All Credits to physiomeetsscience.com).
Um Deine Toleranz gegenüber unangenehmen Aktivitäten zu erhöhen, hilft es sich öfter wieder zu belasten – langsam die Widerstandsfähigkeit und Resilienz aufbauen und somit die Sensibilitätsschwelle heraufzusetzen – Deine Schmerz-Tasse größer werden lassen.
Dazu bist Du in der Lage, weil Dein Körper die Fähigkeit hat sich anzupassen.
Training, Bewegung, aktiv bleiben, so schnell wie möglich zur Arbeit zurückkehren und weiter mit den üblichen Aktivitäten – dies sind Stressoren, die Dir dabei helfen können Dich zu verändern – und denk dran: Jeder hat die Fähigkeit sich zu verändern!
Denke aber bitte auch dran: Anpassung braucht Zeit! Wenn Du seit langem Schmerz hast, hast Du dich auch daran über Jahre angepasst. Nun ist es wichtig Geduld zu haben und nicht zu vergessen, dass sich Fortschritte zwar manchmal schnell, aber in der Regel ganz allmählich einstellen.
Gastautor: Daniel
Daniel ist BASIS Athlet, Sportwissenschaftler und studiert Physiotherapie. Du wirst ihn meist in den Kraft Klassen finden.